Leider konnte ich dieses Jahr nicht selbst an die Messe nach Essen, doch ich hatte das Glück, dass mir ein Bekannter eine Ausgabe organisiert hat.
Bereits vor der Messe gab es massig Vorschusslorbeeren für das Erstlingswerk des Feuerland Spieleverlages. Ich war deshalb sehr gespannt auf die ersten Partien und ob das Spiel die großen Erwartungen
wirklich erfüllen kann. Hat man die stimmungsvoll gestaltete Box erst einmal in den Händen, merkt man gleich, dass "Terra Mystica" kein Leichtgewicht sein wird (in doppelter
Hinsicht)... die Box wiegt immerhin über 2 kg :) ... umfangreiches und hübsch gestaltetes Material, welches ich gar nicht erst vollständig aufzählen möchte... ein Spielplan, der die Landschaft von
"Terra Mystica" zeigt, diverses Holzmaterial (verschiedene Gebäude, Arbeiterklötzchen, Machtchips), 7 doppelseitige Völkertableaus, ein Kultplan und viel, viel, ja wirklich sehr viel
Kartonmaterial, in Form der üblichen Stanzkarton-Teile. Die Regelhefte (deutsch + englisch) umfassen jeweils 20 vollgepackte Seiten mit vielen Abbildungen, Übersichten und ausführlichen
Beschreibungen der einzelnen Regelfeinheiten. Die Spielbox hat kein "Innenleben", so dass ich gleich mal zwei kleine Plastikboxen reingepackt habe, um die ganzen Einzelteile gut zu
verstauen. Die Regeln bieten einen ausgeglichenen Standardaufbau für die verschiedenen Spielerzahlen. Gerade in den ersten Partien sollte man auf diese Vorschläge zurückgreifen, da man ja einfach
noch kein Gefühl dafür hat, wo man günstigerweise bauen soll und welche Völker denn welche Besonderheiten mit sich bringen. Jeder Spieler erhält ein Völkertableau und das ganze Material der passenden
Farbe. Die Gebäude werden auf das Tableau platziert und bedecken dabei die dafür vorgesehenen Felder. Jeder Spieler erhält die notwendigen Machtchips, die nach den Vorgaben auf dem Tableau verteilt
werden. Dann erhält noch jeder Spieler die Startressourcen seines Volkes (Münzen, Arbeiten oder evtl. Priester) und Vorgaben bei den verschiedenen Kulten. Das ganze andere "Zeugs" wird
platziert: Gunstplättchen, Stadtplättchen, Wertungsplättchen (Rundenanzeiger), Rundenbonuskarten... und und und :)
Man ahnt es schon: der Einstieg in "Terra Mystica" wird nicht leicht fallen... und das stimmt auch wirklich. Man muss sich erst
einmal durchs Regelwerk wühlen und Durchhaltevermögen zeigen, dann findet man ein gut funktionierendes, hübsch gestaltetes und sehr spannendes Strategiespiel im Fantasy
-Design... es lohnt sich also, soviel schon mal vorab.
Aufgrund des umfangreichen Regelwerks kann ich natürlich hier nicht die ganzen Regeln beschreiben, aber ich versuche mich in einer
kleinen Zusammenfassung, um einen kleinen Überblick zu geben (die Spielanleitung gibt es beim Verlag zum Download). Das Spiel verläuft über 6 Runden, die jeweils in folgende Phasen unterteilt sind:
Phase 1: Einkommen - hier bekommen die Spieler Einkommen für die kommende Runde, Macht, Arbeiter, Kohle, Priester... das braucht
man dann natürlich für die nachher zu spielenden Aktionen. Erkennbar sind die Einkommens-Materialien an dem Handsymbol, was sich durch das ganze Material zieht... gut
erkennbar. In dieser Phase wird also das ganze Zeugs verteilt.
Phase 2:
Aktionen - hier werden nun reihum Aktionen durchgeführt, die sehr vielfältig sein können. Der aktive Spieler führt eine Aktion durch, dann ist
schon der nächste Spieler dran. Das geht dann so lange reihum, bis alle Spieler passen, weil sie entweder nicht mehr wollen oder nicht mehr können. Einen
Überblick über die verschiedenen Aktionen, kommt nachher noch kurz.
Phase 3: Kultbonus und Vorbereitungen zur nächsten Runde - auf den Wertungsplättchen ist immer angegeben, welchen Kultbonus es beim Ende dieser
Runde gibt. So kann man z.B. zusätzliche Arbeiter bekommen o.a. ... als Zeichen für das Rundenende wird dann das Wertungsplättchen umgedreht und
weiter geht es mit der nächsten Runde. Wie gesagt, werden 6 Runden gespielt. Anschließend gibt es noch die Schlusswertung (Gebietswertung, Kultwertungen), dann endet das Spiel.
Während der Phase 2 hat man vielfältige Aktionsmöglichkeiten. Gerade anfangs wird man von den ganzen Möglichkeiten etwas überfordert sein, das
macht aber nicht... bereits im Verlauf der ersten Partie kommt man langsam rein und bekommt ein Gefühl für die verschiedenen Möglichkeiten. Also, was kann man so alles machen:
1. Landschaft umwandeln und/oder Wohnhaus bauen:
Bei "Terra Mystica" baut man also verschiedene Gebäude auf eine aus sechseckigen Feldern bestehende Landschaft... ok, das kennt man schon, oder? :)
Der Knackpunkt bei "Terra Mystica" ist das Umwandeln der Landschaften. Jedes Volk hat eine Heimlandschaft. Bauen kann das Volk dann auch nur auf
dieser speziellen Landschaft. Andere Landschaften müssen erst teuer (zumindest anfangs teuer) in die Heimlandschaft umgewandelt werden, damit man
dort bauen kann. Das Umwandeln kostet Spaten und Spaten wiederum kosten Arbeiter. Zuerst baut man Wohnhäuser, dann Handelshäuser. Diese
wiederum kann man später entweder eine Festung oder in Tempel umwandeln. Tempel kann man zum Schluss noch ein Heiligtum umwandeln. Werden
Gebäude verbaut, werden Felder freigelegt. Dies wiederum bringt neues Einkommen... so z.B. bei den Wohnhäuschen neue Arbeiter oder bei den Handelshäuser Macht und Kohle... usw.
2. Schifffahrt steigern:
Normalerweise baut man immer angrenzend, Landschaftsfeld an Landschaftsfeld. Die Landschaft ist aber durchzogen von Flüssen. Via Schifffahrt kann
man sich auch über Gewässer hinweg ausbreiten. Die Nixen z.B. haben schon von Haus aus Schifffahrt mit einem Wert "1".
3. Umwandeln steigern:
Anfangs sind die Spaten, die man fürs Umwandeln benötigt, noch recht teuer. Mit dieser Aktion kann man das für die künftigen Aktionen "vergünstigen".
.. wie auch bei Schifffahrt bringt das Upgraden aber auch noch ad hoc ein paar Siegpunkte.
4. Gebäude aufwerten:
In der Aktion 1 baut man ja erst einmal Wohnhäuser. Hier kann man diese dann später aufwerten (schon unter 1. beschrieben).
5. Priester in den Orden eines Kultes schicken:
Auf dem Kulttableau kann man nach und nach hoch steigen. Mittels Entsendung eines Priesters lässt sich dieser Anstieg pushen. Die Priester bleiben aber bis zum Spielende dort stehen.
6. Machtaktion ausführen:
Am unteren Rand des Spielplans sind verschiedene Aktionsfelder abgebildet, die sich mittels Einsatz von Macht nutzen lassen... z.B. Brücke bauen,
einen Priester nehmen, o.a.... am Besten, ich beschreibe kurz, wie das mit der Macht funktioniert. Die kleinen lilafarbenen Macht-Chips liegen in den
Schalen der Macht. Davon gibt es drei. Bekommt man irgendwoher Macht (z.B. durch entsprechendes Einkommen), dann bewegt man Macht-Chips der
1. Schale in die 2. Schale. Sobald die 1. Schale leer ist, werden dann die Chips von der 2. Schale in die 3. Schale verschoben. Erst einmal in der dritten
Schale, können die Chips dann für solche Machtaktionen genutzt werden. Die Chips werden dann aber nicht abgegeben, sondern einfach von der 3. Schale wieder in die 1. Schale zurück geschoben.
7. Sonderaktion eines Volkes oder einer Karte nutzen:
Sonderaktionen haben wie die Machtaktionen diese 8eckigen orangenen Felder. So wird z.B. bei den Nomaden nach dem Bau der Festung ein Feld frei
gelegt, mit dem der Spieler Gelände in Wüste umwandeln kann... hier gibt es also weitere verschiedene Möglichkeiten.
8. Passen und neue Rundenbonuskarte wählen:
Kann oder will man keine weiteren Aktionen mehr ausführen, dann passt man. Der erste Spieler, der passt, ist für die nächste Runde der neue Startspieler
. Dann sucht der Spieler aus den übrigen Rundenbonuskarten eine neue aus... als eine neue Karte für die nächste Runde. Die Rundenbonuskarten bieten
auch wieder weitere Aktionsmöglichkeiten, weitere Einkommensmöglichkeiten, u.v.m.
Gunstplättchen: Macht man ein Upgrade auf einen Tempel oder ein Heiligtum, darf man auch grad noch ein Gunstplättchen aussuchen. Neben
Aufstiegsmöglichkeiten in einem der Kulte, bieten diese Plättchen auch weitere Vorteile, wie z.B. zusätzliches Einkommen... nicht unwichtig.
Städtebau: Hat man mindestens vier zusammenhängende Landschaften auf dem Spielplan bebaut und die Gebäude haben insgesamt einen Gebäudewert
von mind. 7, dann hat der Spieler eine Stadt errichtet. Er darf sich als Erfolgsbonus ein Stadtplättchen aussuchen, welches ihm auch wieder Vorteile, wie z.B. Siegpunkte oder Münzen bringt.
Ich merke schon... die Beschreibung ist doch schon wieder länger geworden als eigentlich geplant, aber man soll ja einen Eindruck von der Komplexität
des Spiels bekommen, den komplex ist "Terra Mystica" wirklich. Kultleisten, Gunstplättchen, Gebäude, Spielertableaus, Landschaften,
Rundenbonusplättchen, da blickt man nicht sofort in der ersten Minute durch :) es gibt sehr viele Möglichkeiten, Siegpunkte zu generieren und genau das
macht auch den Reiz von "Terra Mystica" aus. Nach den bisherigen Partien konnten wir noch keine MUST-GO-Strategie erkennen, die man eben
unbedingt durchführen muss, um die Spieler abzuhängen. Abhängig von den Sonderfähigkeiten der verschiedenen Völker, ergeben sich immer wieder neue
Möglichkeiten, die man im Blick haben sollte. Die Fähigkeiten der unterschiedlichen Völker machen bisher einen recht ausgewogenen Eindruck... ich bin
gespannt, ob sich da mit der Zeit noch Erkenntnisse ergeben (falls dem so ist, werde ich das natürlich hier noch ergänzen).
Bei "Idee" habe ich deshalb nur "moderate" 4 Punkte gegeben, dass viele der verwendeten Elemente nicht wirklich neu sind.... vieles hat man in
irgendeiner Form bereits gesehen. Was mir sehr gut gefällt, ist es, wie die Sache mit der Macht gelöst wurde, also die erwähnten 3 Schalen der Macht. Die
vielen verschiedenen (wie gesagt nicht unbedingt brandneuen) Elemente wurden vom Autorenpaar aber wirklich vorzüglich zu einem wunderbaren
Ganzen kombiniert, so dass man "Terra Mystica" als Vielspieler einfach lieben muss... zumindest mir geht es aktuell so: ich bin infiziert mit dem "TM"-Virus :)
In allen Zusammensetzungen läuft das Spiel ähnlich gut (auch zu zweit macht es Spaß), wobei natürlich die Spieldauer deutlich ansteigt. Angegeben ist
vom Verlag ein Wert von 30 Minuten pro Spieler, doch gerade anfangs kommt man zu zweit nicht mit einer Stunde hin. Das letzte Spiel lief zu viert und
dauerte ca. 2,5h. Für das schnelle Spiel zwischendurch ist es also nicht geeignet :)
Wie eingangs schon erwähnt, ist das Material sehr umfangreich und optisch auch sehr gut gelungen. Ich besitze die Erstauflage, wo bei den Plättchen
teilweise unterschiedlicher Lack für das Finish verwendet wurde. In verschiedenen Foren liest man davon, doch ich finde, man sieht es fast nicht. Für
mich ist es kein Problem... Hauptsache, das Material ist geschützt... und das ist es wohl.
Fazit: sehr komplexes und auch sehr hübsches Strategiespiel, welches besonders für Vielspieler geeignet ist.
(c)2012 Dirk Trefzger
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