Ok, ich gebe es zu: es ist fast schon eine Schande, dass meine Rezension zu Agricola erst im Jahre 2012 kommt. Immerhin ist es bereits seit
2007 weithin bekannt. Es heimste Preis ab ohne Ende: Spiel des Jahres - Sonderpreis komplexes Spiel, 1. Platz bei der Wahl zum Deutschen Spielepreis 2008, Spiel der Spiele für Experten
2008 und noch mehr. Ich kannte es vom Inhalt schon lange und wollte es mir eigentlich auch schon lange besorgen, doch irgendwie war ich immer mit anderen Spielen beschäftigt. Vor ein paar
Wochen nun habe ich mir das Spiel endlich gekauft und was soll ich sagen: ich bin wirklich begeistert. Direkteinstieg in meine persönlichen TOP 20, das kann ich schon mal verraten ;)
Man übernimmt die Rolle eines Landwirtes im 17. Jahrhundert... mit Sicherheit kein Zuckerschlecken :) Die Box verrät bereits, dass es nicht
gerade wenig Material sein kann, so schwergewichtig kommt das Spiel daher. Neben diversem Holzmaterial, wie Personensteine, Ställe, Zäune, verschiedene Tiere, diverses Bau- und
Warenmaterial, gibt es auch verschiedene Kartonplatten, die zusammengelegt als Spielplan fungieren. Außerdem gibt es für jeden Spieler nen Hofplan, denn jeder Spieler baut seinen Hof für
sich aus. Dazu gibt es einen Berg Spielkarten: Ausbildungen, kleine Anschaffungen, große Anschaffungen, Rundenkarten, Aktionskarten (je nach Spieleranzahl werden die grundlegenden
Aktionsmöglichkeiten angepasst), Bettelkarten, Übersichtskarten, und mehr. Die Spielanleitung umfasst satte 16 Seiten und bietet zwei Spielvarianten: das Familienspiel und das Hauptspiel
(also das vollständige Spiel inkl. der ganzen Karten).
Ich versuche darauf zu verzichten, das ganze Regelwerk herunterzuleiern und fasse das ganze bestmöglichst zusammen. Wie gesagt, es erhält
jeder Spieler einen Hofplan und das ganze Material in seiner Spielerfarbe. Jeder Spieler legt zwei Hüttenplättchen auf den Hofplan und dann jeweils einen Personenstein auf jeden Raum.
Nährwerte in Form kleiner Münzen bilden das Startkapital, dann geht es los. Reihum platzieren die Spieler einen ihrer Personensteine auf ein Aktionsfeld (die bereits auf dem Plan
aufgedruckten oder aber die Aktionsfelder der zusätzlich ausgelegten Aktionskarten) ihrer Wahl. Jedes Feld bietet eine Aktion (teilweise auch mehr). So kann man an Rohstoffe kommen, man
kann Tiere bekommen, man kann seine Hütte ausbauen, renovieren, mit zusätzlichen Personen bestücken... man kann nen Acker pflügen, Getreide oder Gemüse aussähen und vieles mehr. So
entwickelt sich innerhalb der zu spielenden Runden ein kleiner (hoffentlich) funktionierender Betrieb. Man baut Getreide an, bäckt damit Brot, um an weitere Nährwerte zu kommen. Man
züchtet Tiere und verarbeitet diese zu Nahrungsmitteln (ok, für Vegetarier ist das Spiel wohl nichts *gg*). Um Tiere halten zu können, umzäunt man Weidegebiete, baut Ställe und platziert
dann die Tiere dort hinein. Zwei Tiere der gleichen Sorte versprechen in den Vermehrungsphase ein weiteres Tierchen. So geht das immer reihum. Knackpunkt dabei ist die Tatsache, dass
immer nur ein Personenstein auf einem Aktionsfeld bzw. auf einer Aktionskarte liegen darf. Eine einmal gewählte Aktion ist erst in der nächsten Spielrunde wieder für einen anderen Spieler
frei. Es ist also gut möglich, den Mitspielern eine dringend benötigte Aktion wegzuschnappen, bevor dieser an der Reihe ist.
Was man bei Agricola berücksichtigen muss: es gibt so ziemlich für alles Punkte und wichtig: es gibt nen Minuspunkt, wenn man etwas nicht
hat. Am besten also, man mischt irgendwie überall etwas mit, konzentriert sich dann aber auf bestimmte Spezialitäten, damit die ganze Struktur zum Laufen kommt. Zum Schluss wertet man
anhand dem beiliegenden Wertungsblock aus, was welchem Spieler wie viele Punkte bringt, addiert dann alles zusammen und es gewinnt natürlich der Spieler, der die meisten Punkte sammeln
konnte.
Die Nährwerte benötigt man übrigens, um in der Ernährungsphase seine Personen zu versorgen. Schafft man das nicht, muss an Bettlerkarten
nehmen, für die man später Minuspunkte kassiert.
Ein wichtiges Element bei Agricola ist, dass Runde für Runde eine weitere Rundenkarte mit einer neuen Aktion aufgedeckt wird. Diese
Rundenkarten sind in Phasen eingeteilt. Da aber pro Phase nicht immer nur eine Karte vorhanden ist, ergibt sich immer ein etwas anderer Spielverlauf. Kommt denn nun der Zaunbau bereits in
der ersten Runde oder etwa erst in der Vierten? Eine praktische Übersichtskarte gibt an, in welcher Phase in etwa welche Karte zu erwarten ist.
Eingangs habe ich ja die zwei verschiedenen Versionen erwähnt. Zum einen sind die grundlegenden Aktionsmöglichkeiten unterschiedlich. Dazu
wird der linke Spielplanteil auf die passende Seite gedreht und auch die von der Spieleranzahl abhängigen Aktionskarten bieten zwei Seiten, eben eine für die Familienversion und eine für
das vollständige Spiel. In der Familienversion gibt es noch die großen Anschaffungen, wie z.B. ein Lehmofen, eine Feuerstelle, oder eine Tischlerei. Diese Karten kann man über bestimmte
Aktionen kaufen (kostet immer eine bestimmte Anzahl Rohstoffe). Mit der Feuerstelle kann man dann z.B. Tiere in Nährwerte umwandeln. Für das vollständige Spiel gibt es den eingangs
erwähnten Haufen Karten, Ausbildungen und kleine Anschaffungen, die einem das Bauernleben leichter machen. Da es von diesen Karten sehr viele verschiedene gibt, muss man sich erst einmal
an die große Auswahl gewöhnen. Standardmäßig erhält jeder Spieler von beiden Sorten (Ausbildungen & kleine Anschaffungen) jeweils 7 Karten auf die Hand, die er dann während des Spiels
zur Verfügung hat. Um hier das Kartenglück etwas zu minimieren kann man das auch so machen, dass man sich eine Karte aussucht, die übrigen Karten dann weitergibt an den nächsten Spieler.
So werden die Stapel reihum abgebaut, bis alle Karten verteilt sind. Es gibt mittlerweile auch schon unzählige Kartendecks, die man zusätzlich bekommen kann und die man mit den
vorhandenen Karten kombinieren kann.
Bereits das Familienspiel ist toll. Auch ohne die Ausbildungskarten und ohne die kleinen Anschaffungen ist Agricola ein top Spiel. Es
verläuft immer recht schnell reihum, da man immer nur ein Aktionsfeld auswählt, dann ist schon der nächste Spieler an der Reihe. Trotz der hohen Komplexität bleibt die Wartezeit recht
überschaubar. Wagt man dann den Schritt zum vollständigen Spiel, wird man von der zusätzlichen Komplexität fast erschlagen. Lässt man sich davon nicht abschrecken, erlebt man Spielspaß
wie er sein muss... einfach toll.
Ach ja, auch als Solitärspiel funktioniert Agricola ganz gut, wobei ich schon eher etwas Gesellschaft bevorzuge. In Vollbesetzung dauert es
halt recht lange, vielleicht ist die beste Besetzung dann doch zu Dritt oder zu Viert.
Fazit: absoluter Strategiehammer, wer dieses Spiel noch nicht hat, der muss es sich holen (wie eben ich erst *g*)
(c)2012 Dirk Trefzger
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